Christian Winkler
Audit & Assurance
In der Automobilindustrie gibt es diverse Bilanzierungs- und Steuerthemen, die insbesondere in dieser Branche auftreten und häufig auf Branchengepflogenheiten beruhen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über ausgewählte Themen:
Die Rahmenbedingungen für den Werkzeugbau verändern sich stetig und in hoher Geschwindigkeit. Trotz aller Bemühungen der Fahrzeughersteller, die Stückzahlen durch die Bildung von Fahrzeug-Plattformen hoch zu halten, steigen die Anforderungen der Kunden nach unterschiedlichen Varianten und individueller Ausstattung immer weiter an. Die Automobilhersteller und -zulieferer stehen damit vor großen Herausforderungen, weil sie einen effizienten Weg finden müssen, um Durchlaufzeiten und Kosten zu reduzieren und gleichzeitig eine hohe Werkzeug- und Bauteilqualität sicherzustellen.
In der Praxis treten häufig komplexe Vereinbarungen in Bezug auf die Behandlung von Werkzeugkosten zwischen dem OEM und dem Zulieferer auf. Sie können später Gegenstand von Nachverhandlungen der Stückpreise sein, insbesondere wenn geplante Stückzahlen übertroffen werden. Durch Werkzeugkostenzuschüsse beteiligen sich die OEM regelmäßig an den Werkzeugkosten ihrer Zulieferer, rechnen diese Zuschüsse jedoch in den Teilepreis ein.
Bei der Bilanzierung von Werkzeugkosten und Werkzeugkostenzuschüssen ist zu entscheiden, ob es sich um ein Eigen- oder Kundenwerkzeug handelt. Es muss geklärt werden, welche Partei wirtschaftlicher Eigentümer des Werkzeugs ist. Dabei kann das juristische Eigentum vom wirtschaftlichen Eigentum abweichen.
Besonderheiten können sich bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Werkzeuge ergeben, da die Werkzeuge in der Regel vom OEM erworben werden, physisch jedoch beim Zulieferer verbleiben (Lieferung ohne Warenbewegung). Auch hierbei ist entscheidend, ob es sich um ein Eigen- oder Kundenwerkzeug handelt. Darüber hinaus können sich Fragen der Behandlung von Prototypenwerkzeugen, Konsequenzen aus Verlagerungen von Werkzeugen oder zollrechtliche Aspekte ergeben.
Bei der Auftragsakquisition sind vom Automobilzulieferer regelmäßig sogenannte Eintrittsgelder an den OEM zu zahlen. Diese haben in der Praxis sehr unterschiedliche Bezeichnungen: „Upfront Fee“, „Entrance Fee“, „Nomination Fee“, „Signing Fee“, „Support Payment“, „Pay-to-Play“, „Give Back“ oder „Quick Savings“. Dem Ideenreichtum der OEM bei den vertraglichen Ausgestaltungen sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Bei der Bilanzierung dieser Eintrittsgelder ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden und zu entscheiden, ob diese Aufwendungen direkt erfolgswirksam zu erfassen sind oder durch Aktivierung der Zahlungen über die Laufzeit einer Produktionsserie verteilt werden können. Dabei sind die vertraglichen Grundlagen genaustens zu prüfen, mögliche Rückzahlungsansprüche zu identifizieren und einzelne Leistungsverpflichtungen aus möglichen Mehrkomponentenverträgen zu separieren.
Die deutsche Automobilindustrie ist höchst innovativ und versorgt die ganze Welt mit Erfindungen, damit Autos der Zukunft noch sicherer, sauberer und digitaler unterwegs sein können. Dafür investieren die Zulieferer und Hersteller aus Deutschland nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie e.V. (VDA) bis 2025 rund 150 Mrd. Euro in E-Mobilität, Digitalisierung und neue Antriebe, in neue Sicherheitssysteme und Umwelttechnologien. Damit entfällt mehr als ein Drittel der gesamten weltweiten F&E-Ausgaben der Automobilbranche auf die deutsche Automobilindustrie.
In der Praxis können Automobilhersteller und -zulieferer dabei mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert werden. Beispielsweise können die vertraglichen Grundlagen Ermessensspielräume bieten (z.B. „Letter of Intend“, „Nominations Letter“), oder es müssen aus kombinierten Entwicklungs- und Serienlieferverträgen Mehrkomponentengeschäften separiert werden.
In Bezug auf die Bilanzierung dieser Aufwendungen stellen sich eine Reihe von Fragen, die für jeden Einzelfall betrachtet werden müssen. Dabei ist zu untersuchen, ob die entstehenden bzw. entstandenen Aufwendungen die Voraussetzungen für die Aktivierung eines Vermögensgegenstands erfüllen, und ferner, ob der Vermögensgegenstand dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzuordnen ist. Entsprechend dieser Einordnung ist zu entscheiden, ob bzw. welche Kosten aktiviert werden können (Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten) und wie mögliche Wahlrechte ausgeübt werden sollen. Gegebenenfalls müssen diese Überlegungen für IFRS, HGB und Steuerrecht angestellt werden und mögliche Vereinheitlichungen angestrebt werden.
Mit fortschreitender Digitalisierung steigen auch die IT-Kosten der Unternehmen in der Automobilindustrie. Dies betrifft sowohl Kosten für selbsterstellte Software als auch Customizing-Arbeiten zur Einrichtung und Weiterentwicklung entgeltlich erworbener Software, z.B. im Rahmen der Einführung der nächsten Generation von ERP-Systemen wie SAP S4/HANA. Zudem ist ein eindeutiger Trend zur Verlagerung von Applikationen in Cloud-Lösungen festzustellen. Nachgefragt werden sogenannte Software-as-a-Service-Leistungen (SaaS). Aber auch Plattformen (Plattform-as-a-Service/PaaS) sowie oder die ganze Infrastruktur (Infrastructure-as-a-Service/IaaS) müssen nicht mehr im Unternehmen vorgehalten werden, sondern finden zunehmend Platz in der Cloud.
Die bilanziellen Vorgaben in den IFRS und im HGB wurden jedoch weitestgehend vor der digitalen Transformation der Unternehmen formuliert. Hieraus resultieren unterschiedliche Komplexitäten für die Bilanzierung von (selbst geschaffener) Software. Dies haben wir zum Anlass genommen, im Rahmen einer Studie den aktuellen Stand der bilanziellen Behandlung von IT-Kosten im deutschen Prime Standard zu untersuchen.
Wie unsere Experten der Accounting Advisory Group Sie bei den Herausforderungen der digitalen Transformation unterstützen können finden Sie hier.
Aufgrund des harten Preiswettbewerbs stellt sich im Laufe eines Projekts, manchmal auch bereits bei Auftragserteilung, heraus, dass Projekte nicht kostendeckend ausgeführt werden können. Ein Grund dafür können Preiszugeständnisse an den Kunden während der Projektlaufzeit sein. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen über Wertberichtigungen des Anlagevermögens oder die Bildung von Drohverlustrückstellungen nachdenken müssen. Die Vorgaben nach IFRS und HGB unterscheiden sich dabei. Zudem gibt es große Ermessensspielräume, die angemessen ausgeübt werden müssen. Dabei stellen sich Fragen wie z.B. ob tatsächlich und wie lange eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zur Lieferung vorliegt, auf welcher Ebene die Ermittlung der Vorsorgen zu erfolgen hat (auf Ebene eines einzelnen Projekts, eines Werks oder einer Marke) oder welche Kostenarten einzubeziehen sind. Da in der Steuerbilanz Drohverlustrückstellungen nicht gebildet werden dürfen, entstehen latente Steuern.
Christian Winkler
Benjamin Püschel